Heimat Bote Nr. 38


Großmütter einst und heute

Wißt ihr noch, wie es damals war:
Die Großmutter mit gescheiteltem Haar, im Lehnstuhl am Fenster, das Strickzeug zur Hand.
Perlon hat man damals noch nicht gekannt. Im bauschigen Rock aus wollenem Tuch, vor ihr lag offen das Bibelbuch. Und kamen die Enkel dann müd' von der Straß'
Und baten: "Ach, Großmutter, erzähle uns was." Da lachte sie mit zahnlosem Mund und tat ihnen die schönsten Märchen kund.
Sie war immer da, es war nichts als Liebe. Man konnte nur wünschen, daß es lange so bliebe!
Ja, Großmutter mit dem Häubchen im Haar betreute die Kleinen so viele Jahr. Sie ging niemals aus, und das war die Pflicht. Wer eine solche Großmutter besessen, ich denke, der wird sie niemals vergessen.
Ich hatte so eine, oh, welches Glück und denke noch oft mit Sehnsucht zurück. Ja damals, das war noch die gute, alte Zeit! Wie liegt sie fern, wie liegt sie so weit!

Wo ist diese Großmutter in heutiger Zeit? Sie ist eine Omi geworden heut; das Haar trägt sie dauergewellt und ist des öfteren beim Friseur bestellt. Ein keckes Hütchen trägt sie auf dem Haupt, ja, ja, wer hätte das damals geglaubt? Den Rock, je nach Mode, kurz oder lang, vor was wäre unserer Omi bang? Sie sitzt nicht im Lehnstuhl und ruht sich aus;
oh nein, unsere Omi ist selten zu Haus. Sie hat Kaffeekränzchen, manchmal auch zwei, das ging ohne sie gar nicht vorbei!
Sie reist nicht nur in der Ferienzeit, oh nein, auch im Winter, wenn es schneit! Sie macht ihre Reisen, per Bus oder Bahn und zwar keine kurzen nein, so weit sie nur kann.
Der Harz hat heute nicht mehr viel Reiz,
heut' fährt sie nach Österreich oder gar in die Schweiz;
auch noch viel weiter, an die Riviera ans Meer. Es muß auch noch das Flugzeug her.

In Omis Mund fehlt nicht ein einziger Zahn. Was ein Zahnarzt von heut' alles machen kann! Sie fährt mit dem Auto, oh welche Wonne, mit der ganzen Familie bei Regen und Sonne. Den Führerschein zu machen war ein Kinderspiel.
Ja, unserer Oma ist nichts zuviel. Sie geht zum Schwimmen, zum Skilauf zum Segeln.
Und manche von ihnen sogar noch zum Kegeln. Doch machen die Omis von heute auch modern,
so soll man sich nicht über sie beschwer'n. Die sorgen heute gerade so für ihre Lieben, denn das Herz, dünkt mich, ist stets das gleiche geblieben. Gott möge erhalten noch lange Zeit der Omi die Liebe und Jugendlichkeit..

Helga Klenk/Tonn, aus: ("Friedeberger Rundbrief")

Eingesandt von Frieda Kirsch / Sonnenberg, (Marschenen)



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