Ortsgemeinschaft Großheidekrug



Großheidekrug liegt etwa 20 km westlich von Königsberg im Samland an der Nordküste des Frischen Haffs. Die Ortsgemeinschaft Großheidekrug umfaßte die Dörfer Elenskrug (das Wort kommt von Elen = Elch), Widitten, Neplecken bis Nautzwinkel, Vierbrüderkrug. und den Wurzelkrug in Moditten.

Das Leben in den Dörfern wurde durch die Lage am Frischen Haff und dem Königsberger Seekanal geprägt, der in seiner ersten Ausbaustufe zur Jahrhundertwende 1899/1900 fertiggestellt worden war. Durch diesen Kanal konnten größere Schiffen durch den Ostseehafen Pillau direkt nach Königsberg fahren, die Waren mussten nicht mehr in Pillau auf die Eisenbahn umgeladen werden. Neben den in ländlichen Gebieten üblichen Berufen wie Bauern und Forstarbeitern - in der Caporner Heide – gab es in den Haffdörfern hauptsächlich Fischer und viele Arbeiter und Angestellte beim Hafenbauamt Pillau. Bis auf wenige Ausnahmen hatte in den Dörfern jede Familie ihr Haus und ihr kleineres oder größeres Grundstück.

Wie andere Dörfer am Haff hatte auch Großheidekrug einen kleinen Hafen. An der westlichen Hafenseite befand sich eine Signalstation, gleichzeitig auch Ausweichstelle für größere Schiffe, an der anderen gab es eine Badeanstalt

Die Provinzhauptstadt Königsberg war am bequemsten zweimal täglich mit dem Bus "Kairies" zu erreichen. Die Eisenbahn, deren Bahnhöfe Lindenau vier und Seerappen sieben km entfernt waren und die Reichsstraße 131 führten nach Königsberg und zum Ostseehafen Pillau. Im Sommer fuhren auch die Schiffe "Altstadt", "Großheidekrug" und "Löbenicht" der Schifffahrtsgesellschaft Gustav & E. Fechter nach Königsberg. Letzteres Verkehrsmittel wurde hauptsächlich von Fischer- und Landfrauen benutzt, die ihre Fische, sowie Garten- und Felderzeugnisse – bekannt waren die Sauerkirschen - auf dem Markt in Königsberg anboten. - Der Dampfer "Altstadt" fährt heute als "Schlei – Möwe" auf der Schlei. - Diese gute Verbindung machte es interessierten Dorfbewohnern auch möglich, kulturelle Veranstaltungen in Königsberg zu besuchen.

Der Schriftsteller Willy Kramp, der lange in Caporn wohnte, hat die Fischerdörfer als Vorlage für seinen Roman "Die Fischer von Lissau" genommen und damit in der Literatur verewigt.

Großheidekrug hatte einen hauptamtlichen Bürgermeister, einen Amtsvorsteher und eine Polizeistation mit zwei Polizeiwachtmeistern und einen Fischmeister.
Die Waldgebiete wurde von Förstereien in Kobbelbude, Elenskrug und Bärwalde verwaltet.

Hierzu kamen in dem über 2500 Einwohner zählenden Ort Großheidekrug (die ganze Gemeinde umfaßte etwa 3800 Menschen) die üblichen Versorgungsbetriebe wie Bäcker, Fleischer (sechs), Konsum, Drogerie, Handwerker vom Schuhmacher bis zum Tischler, Schmiede, Schneider, Maler usw. Es gab zwei Dentisten, einen praktischen Arzt, eine Gemeindeschwester und eine Hebamme.

Die beiden Schulen, die neue mit schöner Aula, hatten zusammen sieben Klassen, die im Durchschnitt 450 Schulkinder besuchten. Im drei km entfernten Widitten war 1937 eine zweiklassige moderne Musterschule mit Werkraum und Kockküche fertiggestellt worden.
1931 wurde die neue große Kirche fertiggestellt. Mit der Baptistenkapelle hatte Großheidekrug zwei Gotteshäuser.

Es gab einen Fischer- und einen Fußballverein - "Rasensport Großheidekrug", dazu den Posaunenchor, der zu besonderen Anlässen seine Lieder vom Kirchturm aus bließ. Der Männer Gesangverein wurde von Herrn Lehrer August geleitet, und die freiwillige Feuerwehr fehlte auch nicht.
Wald und Wasser lockten an Sonn- und Feiertagen viele Ausflügler mit dem Dampfer und als Segelsportler aus der Großstadt nach Großheidekrug. In mehreren Restaurants mit Tanzdielen und Wintergarten konnten sie versorgt werden. - Viele Großheidekrüger Kinder besuchten in Königsberg Oberschulen und Fachschulen.

1934/35 wurde beim Ausbau der Straße nach Zimmerbude bei Widitten ein großes vorgeschichtliches Gräberfeld gefunden, das großes Interesse in Fachkreisen und beim Prussia Museum weckte.

Nach dem Krieg hat Pfarrer Dr. Friedrich die Anschriften seiner aus ihrer Heimat Großheidekrug geflüchteten und vertriebenen Gemeindemitglieder gesammelt. So fanden sich allmählich immer mehr unserer Landsleute zusammen. Die meisten waren auf der Flucht über das Haff nach Schleswig Holstein und Dänemark gekommen.

Als nach 45 Jahren unmenschlicher Sperrung die Grenze zu Nordostpreußen geöffnet wurde, konnten viele Großheidekrüger ihre verlorene Heimat besuchen. Karl Zibner organisierte zahlreiche Gruppenreisen. Bei den Besuchen sind viele Tränen geflossen, wenn noch vorhandene Elternhäuser wehmütige Erinnerungen weckten, oder wenn nichts mehr von Haus und Hof zu finden war. Nicht zu übersehen war, wie verkommen die ehemals blühende Heimat war.
Trotzdem zieht die Heimatsehnsucht viele Landsleute jedes Jahr aufs neue nach Großheidekrug, für andere gibt es das Dorf nicht mehr, es ist für sie jetzt das russische Vsmorje.

Mit Karl Zibners Initiative wurde das beschädigte Ehrenmal des Großheidekrüger Friedhofs instandgesetzt und unter großer Teilnahme von Kirchenvertretern und ehemaligen Einwohnern neu geweiht. Leider war kurze Zeit später die neue Messingtafel entwendet.
Das als Verbindungsstätte gedachte Haus "PRUSA", in das einige Großheidekrüger Geld investiert hatten, mußte wegen unredlicher Machenschaften aufgegeben werden. Trotzdem entstanden im Laufe der Zeit Freundschaften zwischen den ehemaligen deutschen und den jetzigen russischen Bewohnern von Großheidekrug.

Weitere Einzelheiten über Dorf und Leben sind in Büchern und Heimatheften nachzulesen:

Karl Zibner (einige Zeit Schriftleiter des Samlandbriefes) "Samländische Haffküste" (142 Seiten), Selbstverlag 1972.
Willy Hanemann, von 1928 bis 1939 Lehrer an der Schule Widitten: "Widitten oder der Schul-meister erinnert sich" (287 Seiten) im Selbstverlag Siegfried Hanemann 1986.
Karl Zibner und Siegfried Hanemann: "Unser Leben am Frischen Haff in der Caporner Heide" (584 Seiten) Selbstverlag Ortsgemeinschaft Großheidekrug 1993.
Die ersten Auflagen sind inzwischen leider vergriffen.

Viele Großheidekrüger, besonders Frauen, schrieben über ihre zum Teil schrecklichen Erlebnisse beim Einmarch der Roten Armee und später in russischer Zwangsarbeit. Diese Berichte sind gesammelt und sollen einmal zusammengefaßt herausgegeben werden.
Diese große Ortsgemeinschaft, die zum Teil verschwägert und verwandt war, schrie geradezu nach einem Heimatbrief. Die Fülle der Erlebnisse konnte im Samlandbrief keinesfalls untergebracht werden.



zum Seitenanfang

Zurück
zum Start